Warum sehen alle Webseiten gleich aus?

Warum sehen alle Webseiten gleich aus?

Ein Überblick über Einflussfaktoren auf unser Design – von früher bis heute.

Über das heutige Webdesign wird oft gesagt „Alle Webseiten sehen heute gleich aus“. Von Nachrichtenseiten bis zu Onlineshops: Webseiten bestehen meist aus einer Navigation, einem Header Bereich mit Slider, Boxen und einem Footer.
Warum ist das so? Welche Einflussfaktoren bestimmen unser heutiges Webdesign? Und sind wir wirklich am Ende unserer Kreativität angelangt? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir zuerst einen kurzen Blick auf die junge Geschichte des Webdesigns werfen.

Der Anfang

Webseiten Design gibt es seit frühstens 1996. 1989 entwickelte Tim Berners-Lee 1989 die Grundlagen für das World Wide Web. Aber erst 1992, mit der Entwicklung von HTML war es möglich Informationen schnell und strukturiert auszutauschen. Und erst mit der Entwicklung von CSS, Ende 1996, ist es möglich, diesen strukturierten Daten ein Design zu geben. Wir können also auf einen historischen Rückblick von 28 Jahren im Webseiten Design schauen.

Am Anfang bestanden Webseiten aus tabellarische Textblöcken. Dann kam Webdesign mit Flash in Bewegung. Alles war knallbunt und laut. Seit web.2.0 ist das Design ruhiger geworden. Und konformer. Alles ähnelt sich. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die Gründe, warum Webseiten alle gleich aussehen.

Web2.0

Web2.0 hat die Art verändert, wie wir kommunizieren. Das World Wide Web entwickelte sich von dem klassischen Sender-Empfänger-Modell zu einem interaktiven Modell. Der soziale Aspekt trat viel mehr in den Vordergrund. Blogs mit Kommentarfunktionen, Facebook, Myspace machten das Internet für alle zugänglich. Inhalte wurden nun von Usern erstellt. Dadurch gewann die Benutzerfreundlichkeit von Webseiten an Bedeutung.

Usability und UX

Heute folgt das Design von Webseiten den Zweck, den es erfüllen soll. Eine einfache Bedienbarkeit und die Ausrichtung auf User-Centered-Design lassen unnötige Elemente von den Webseiten verschwinden.

Gestaltungsrichtlinien

Die meisten Designer gestalten Webseiten und digitale Projekte nach den Wahrnehmungsprinzipien. Diese lassen natürlich noch viel Raum für Kreativität. Trotzdem geben sie Richtlinien vor, denen wir als DesignerInnen folgen. Das Gesetz der Kontinuität sagt zum Beispiel, wie die normale Blickrichtung von Menschen verläuft. Webseiten in unserer westlichen Kultur sind zum Beispiel auch immer in Leserichtung, also von links nach rechts und von oben nach unten aufgebaut. Das haben alle Webseiten gemeinsam.

Schrift

Seit den Anfängen des Webdesigns haben sich auch Schriften stark angeglichen. In den Anfängen des Webdesigns wurde noch aus den Printmedien kopiert. Neben mehrspaltigen Designs wurden auch Printfonts genutzt. Heute haben wir gelernt, dass sich serifenlose Schriften digital in Fließtexten besser lesen lassen. Deswegen finden sich kaum noch Webseiten mit Helvetica. Arial, die übrigens auch für den Druck entwickelt wurde, ist die beliebteste serifenlose Schrift im Netz.

White Space

Modernes Webdesign arbeitet auch immer mit White Space. Dadurch sehen die Webseiten aufgeräumt und übersichtlich aus. Zumindest für uns. Die Mehrheit der japanischen Kultur nimmt den weißen Raum zum Beispiel negativ dar. Für sie ist es eine Platzverschwendung, Flächen nicht mit Informationen zu füllen. Nichtsdestotrotz ähneln sich auch durch die großen weißen Flächen viele Webseiten. Denn auch wir nehmen den Leerraum als Raum wahr.

Webdesign out of the box

Viele kleine Unternehmen oder privat Personen designen ihre Webseiten selbst. Heute braucht es dazu keine HTML- oder CSS-Kenntnisse mehr. Templates ermöglichen einen einfachen und leichten Zugang und die Kosten sind erschwinglich. Knapp 70 Prozent aller KMUs verfügen mittlerweile über einen Onlineauftritt. Vor Corona waren es deutlich weniger. Ein Template kann von vielen Kunden gleichzeitig und für verschiedene Zwecke genutzt werden. Das hält die Kosten niedrig. Dadurch sehen sich viele Webseiten sich ähnlich.

Bibliotheken und Frameworks

Nicht viel anders ist es, wenn Agenturen auf beliebte Frameworks, wie zum Beispiel Bootstrap zurückgreifen. Auch hier gibt es Module out of the box, die zwar anpassbar sind, aber dennoch einen bestimmten gestalterischen Stempel haben.

Responsive Design

Zur Funktionalität einer Webseite gehört inzwischen auch, dass sie mobile und responsive funktionieren muss. In den Anfängen von Web2.0 war es noch unüblich, eigene Webseiten für Smartphones zu designen. Ein Webseitenauftritt bestand damals gerne aus 2, vielleicht sogar mehr verschiedenen Webseiten. Heute ist es technisch möglich, mit Grids eine Webseite für alle Devices zu designen. Dadurch hat sich allerdings auch ein gestalterisches Raster etabliert.

SEO

Google erwartet von Webseiten einen bestimmten Aufbau, damit die Seiten gecrawlt werden. Damit hat Google auch ein Dogma festgelegt, wie Webseiten aussehen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Ein Beispiel dafür ist die sortierte HTML-Struktur, damit Bots die Seite einfacher crawlen können. Aber auch User erfreut eine klare Struktur – mit oder ohne Screenreader.

Barrierefreiheit

Ein Produkt oder ein Design für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen, wird zum Glück immer präsenter. Dennoch gibt es viele, die daran kritisieren, dass die Kreativität bei all den Vorgaben, die erfüllt werden müssen, auf der Strecke bleibt. Barrierefreiheit erfordert viel konzeptionellen Aufwand und nicht alle Designs lassen sich barrierefrei umsetzen. Gerade hier steckt aber viel Potenzial für eine neue Kreativität.

KI

Ebenfalls ein großer Faktor, warum Webseiten gleich aussehen, sind KIs, die inzwischen selbst Webseiten designen. Das ist eine bahnbrechende Entwicklung, die unsere Arbeitswelt für immer verändern wird, aber sie sorgt auch dafür, zumindest im Moment, dass die Kreativität zurückstecken muss. Eine KI gibt Ergebnisse bestehenden Daten aus. Sie kann verschiedenes Wissen kombinieren und daraus neues erschaffen. Aber sie folgt im Webdesign denselben Mustern wie Frameworks oder Templates und bietet keine individuellen ausgearbeiteten Lösungen an. Zumindest bis jetzt.

Große Player bestimmen die Trends

Die großen Unternehmen, die nur dem Internet die Größe ihres Erfolgs verdanken, bestimmen maßgeblich Designtrends und unser Wahrnehmen von Style und Harmonie. Apples Minimaldesign zum Beispiel hat die Welt geprägt. Das iPhone hat bestimmt, wie Smartphones heute aussehen. Und das auch Webseiten Design wird von Apple geprägt. Der Minimalistische Stil, der einst als CI-Wiedererkennungswert und Markenpositionierung entwickelt wurde, sehen wir mittlerweile auf zahlreichen Webseiten.

Konkurrenzfähigkeit

Damit einhergeht eine gewisse Furcht vor unbeschriebenen Wegen. Warum das Rad neu erfinden, wenn es bereits erfolgreich bei anderen Firmen läuft? Wettbewerber können und wollen nicht das Risiko eingehen, in den Suchergebnissen oder den KPIs gegen die Konkurrenz abzufallen. Auch deswegen orientieren sich viele an wenigen MarktführerInnen.

Der Wunsch nach Einfachheit als Trend

Mit dem Internet ist die Welt diverser geworden. Und konformer. Zeitgleich.
Diversität lässt uns andere Realitäten nicht nur akzeptieren, sondern auch mitdenken. Die kognitive Leistung unseres Gehirns ist so stärker gefordert als in einer nicht-globalisierten Miniblase (aka Weltbild 1950). Die Welt ist damit komplexer geworden. Alles ist möglich und für alles gibt es einen Platz. Das WWW ist ein unendliches Sammelsurium an Möglichkeiten, das ständig im Fluss ist. In dieser neuen Welt der ständigen Transformation müssen wir immer neue Dinge lernen, um sie für uns nutzen zu können.
Stellen wir uns kurz eine Welt vor, in der alle Webseiten individuell und einmalig wären. Wir müssten bei jedem einzelnen Besuch suchen, wo sich die Navigation, die Telefonnummer oder Einkaufswagen befinden. Das wäre nicht nur zeitraubend, es würde auch Ressourcen abverlangen, die wir besser für andere Dinge nutzen könnten.

Dieser Überfluss an Informationen, Bewegung und Möglichkeiten führt zu einem Wunsch nach Einfachheit, wo immer es möglich ist. Nach einfachen Strukturen, nach einfachen Wegen und einfachen Design. Diese Sehnsucht nach Vereinfachung spiegelt sich im heutigen Webdesign wider: Weißräume, Boxen und wenig Fließtext.

Ausblick

Auch früher sahen Webseiten gleich aus. In Tabellen statt Grids, mehrspaltig, mit Serifenschrift und vielen kleinen Bildern, die sich oft bewegten.
Web2.0 hatte einen großen Einfluss auf unser digitales Verhalten. Neue Entwicklungen wie KI verändern nicht nur die Art, wie wir Technik für uns nutzen, sie hat auch Einfluss drauf, wie wir die Welt sehen und damit auch, wie wir sie gestalten. Wir stehen am Anfang einer neuen Entwicklung. Wie in den Anfängen des WWW ist das nicht immer schön. Aber Veränderung wird dazu führen, dass wir uns neue Wege und neue Designformen erschließen.